Definition
Was ist Antisemitismus?
Antisemitismus – der Begriff legt nahe, dass er bedeutet, gegen Juden zu sein: Judenfeindschaft, Judenhass. Dabei hat Antisemitismus mit realen jüdischen Menschen nichts zu tun, er entsteht unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten.
Verletzende oder beleidigende Bemerkungen, "Witze", Schmierereien, Flugblätter, Slogans und Sprüche bei Demonstrationen, Sachbeschädigungen, Diskriminierungen oder Bedrohungen bis hin zu gewaltätigen Angriffen – Antisemitismus kann sich vielfältig äußern. Ob online in Social Media, in Foren, per Mailzuschrift oder offline am Stammtisch, im ÖPNV oder beim Sport – Antisemitismus kann überall auftreten.
Was aber ist nun Antisemitismus?
Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die im Hass auf Juden Ausdruck finden kann. Rhetorische und physische Manifestationen von Antisemitismus richten sich gegen jüdische oder nicht-jüdische Individuen und/oder ihr Eigentum, gegen Institutionen jüdischer Gemeinden und religiöse Einrichtungen.
Diese Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) wurde am 26. Mai 2016 in Bukarest von der Vollversammlung der damals 31 Mitgliedsstaaten beschlossen. Sie beschreibt damit im Kern, worauf es ankommt: Eine ganz bestimmte Sicht dominiert, anstatt die jeweilige Person in ihrer Unterschiedlichkeit und Individualität wahrzunehmen. Wer sich über jüdische Menschen eine Meinung bildet, die von ihrem Judentum abgeleitet wird anstatt von ihrem konkreten persönlichen Verhalten, handelt antisemitisch.
Dabei werden antisemitische Klischees und Stereotype oft nicht als solche bemerkt, sondern als vermeintliches Wissen wahrgenommen und sozial weitergegeben. Die IHRA nennt praktische Beispiele für Antisemitismus und antisemitisches Handeln, die im Folgenden in veränderter und ergänzter Form dargestellt werden:
- Menschen oder Gruppen rufen zur Tötung/Schädigung von Juden im Namen einer radikalen/extremistischen Ideologie oder einer radikalen/extremistischen Religionsanschauung auf.
- Menschen oder Gruppen fordern zur Beihilfe zu solchen Taten auf oder versuchen, diese zu rechtfertigen.
- Menschen oder Gruppen bringen falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen einzelne Juden oder die Macht von Juden als Kollektiv vor; dazu können Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle von Medien, Wirtschaft, Regierung oder gesellschaftlicher Institutionen zählen. Dabei werden Nicht-Juden als „Handlanger“ von Juden dargestellt oder als „Krypto-Juden“ (geheime Juden).
- Juden werden als Volk für tatsächliches oder unterstelltes Fehlverhalten einzelner Juden, einzelner jüdischer Gruppen oder sogar Nicht-Juden (s. Punkt 3) verantwortlich gemacht.
- Leugnung von Tatsachen, des Ausmaßes, der Mechanismen (z.B. von Gaskammern) oder der Vorsätzlichkeit des Völkermordes an den Juden durch das NS-Regime und seine Unterstützer und Komplizen während des Zweiten Weltkriegs.
- Der Vorwurf gegenüber Juden als Volk oder dem Staat Israel, den Holocaust zu erfinden oder übertrieben darzustellen.
- Der Vorwurf, Juden fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen (s. Punkt 3) stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer.
- Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
- Der Vorwurf, Juden fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen (s. Punkt 3) stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer.
- Die Anwendung doppelter Standards bei der Beurteilung des Staats Israel.
- Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus oder christlichem Antijudaismus in Verbindung stehen, um Israel, Bürgerinnen und Bürger Israels oder Jüdinnen und Juden zu beschreiben.
- Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik des NS-Regimes.
- Das kollektive Verantwortlichmachen von Juden für Handlungen der Regierung, öffentlicher Institutionen oder Parteien des Staates Israel.
- Die Behauptung, Juden seien am Antisemitismus aufgrund ihrer Verhaltensweise (s. Punkt 3-4, 6-7, 9), bestimmter Stereotypen (3, 6-9, 11) oder Handlungen (s. Punkt 10, 12-13) selbst verantwortlich.
Antisemitischer Vorfall
Was tun bei antisemitischen Vorfällen?
Antisemitische Vorfälle geschehen leider täglich. Dabei kommt es sowohl zu strafrechtlich relevanten Taten als auch Übergriffe und Vorfälle, die zwar antisemitisch aber unterhalb einer strafbaren Grenze sind. In jedem Fall ist es wichtig, einzuschreiten, Zivilcourage zu zeigen und die Betroffenen zu unterstützen. Was bei einem antisemitischen Vorfall getan werden kann, erfahren Sie hier.
Eingreifen als Zeuge / Zeugin eines Vorfalls
Bei einem antisemitischen Vorfall können Sie aktiv einschreiten. Sie können durch Handlungen oder Worte Haltung zeigen, Betroffene unterstützen und dazu beitragen das die Situation nicht weiter eskaliert oder Hilfe holen, wenn es notwendig ist. Bleiben Sie in einem Wortgefecht ruhig. Sollte es sich um eine gefährliche Situation handeln rufen Sie die Polizei. Oft hilft es bereits weitere Menschen aktiv anzusprechen und konkret um Unterstützung - etwa die Wahl der Nummer 110 - zu bitten.
Auch nach einem Angriff oder einem Vorfall kann es betroffenen Personen helfen, Unterstützung zu erfahren. Bieten Sie ihre Hilfe an, begleiten Sie eine Person bspw. zur Polizei, zur medizinischen Versorgung oder einer Beratungsstelle und stellen Sie sich als Zeuge oder Zeugin zur Verfügung.
Dokumentieren
Bei gewaltätigen Übergriffen suchen Sie medizinische Versorgung auf und lassen Sie körperliche Verletzungen jedweder Art attestieren. Ebenso sollten Sie Sachschäden dokumentieren.
Verfassen Sie zu dem Vorfall oder Übergriff ein Gedächtnisprotokoll. Sowohl als betroffene Person als auch als Zeuge oder Zeugin eines Vorfalls hilft dies dabei, bei späteren Gesprächen mit Beratungsstellen oder Ermittlungsbehörden genaue Angaben machen zu können. Bieten Sie als Zeuge oder Zeugin an, für spätere Kontaktaufnahme durch Betroffene zur Verfügung zu stehen.
Falls sie antisemitische Schmierereien oder bspw. Flugblätter entdecken, fotografieren Sie und entfernen Sie diese aus dem öffentlichen Raum falls möglich. Verbreiten Sie Bilder des Vorfalls nicht selbstständig im Internet oder auf Social Media, sondern melden Sie auch diese Vorfälle bei der Polizei oder Beratungseinrichtungen.
Melden
Sowohl als betroffene Person als auch als Zeuge oder Zeugin können Sie Vorfälle bei der Polizei melden. Nicht alle Taten und Vorfälle sind strafrechtlich relevant und führen daher nicht zu weiterer jursitischen Verfolgung oder Verurteilung. Dennoch sind Meldungen bei der Polizei wichtig, um eine erste Ermittlung zu initiieren. Darüberhinaus trägt eine Anzeige dazu bei, diese Vorfälle zu erfassen und eine gesellschaftliche Sensibilität zu erhöhen.
Darüber hinaus ist es wichtig, antisemitische Vorfälle auch der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus - RIAS Nordrhein-Westfalen zu melden. RIAS NRW unterstützt Betroffene von Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen. Abhängig von den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen oder der Meldenden, vermittelt RIAS NRW weitergehende psychosoziale, juristische, Antidiskriminierungs- und Opferberatung, ist beim Umgang mit den Behörden und der Polizei behilflich, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und veröffentlicht einzelne anonymisierte Fälle. Zentrales Prinzip ist der Vertrauensschutz: Die Betroffenen und Zeugen entscheiden, wie mit ihrer Meldung und ihren Informationen umgegangen wird. RIAS NRW steht auf der Seite der Menschen, die von Antisemitismus betroffen sind.
Sie können natürlich ebenfalls das Büro der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen bei Vorfällen kontaktieren.