
Zum Umgang mit antijudaistischen Darstellungen an kirchlichen Gebäuden

Der Antijudaismus hat eine sehr lange Tradition in der christlichen Geschichte – mal mehr mal weniger stark ausgeprägt. Wichtig, um den heutigen Antisemitismus zu verstehen, ist, sich zu vergegenwärtigen, dass er seine Wurzeln in den religiösen Vorurteilen und Stereotypen, die sich aus der Ablehnung des Judentums durch das Christentum ergeben, hat. Dieser frühchristliche Antisemitismus äußerte sich in einer Reihe von Motiven. Am bekanntesten ist dabei sicherlich der „Gottesmordvorwurf“ gegen Jüdinnen und Juden. Gemeint ist damit die vermeintlich unaufhebbare Kollektivschuld an der Kreuzigung Jesu als Sohn Gottes.
Auch wenn sie nicht mehr die heutige kirchliche Position zum Judentum widerspiegeln, gibt es an vielen Kirchenräumen noch immer viele Darstellungen, die die christliche Sicht der jeweiligen Zeit auf das Judentum darstellen. Die Bauten sind auch immer Ausdruck gelebten Glaubens und kultureller Vielfalt der jeweiligen Entstehungszeit. Grundsätzlich ist nicht jede Darstellung von Jüdinnen und Juden zugleich antijüdisch, an vielen Stellen dient sie zunächst nur dazu, diese als Vertreter des Alten Testaments zu kennzeichnen. Einige Darstellungen des Judentums in und an evangelischen und katholischen Kirchengebäuden entfalten aber bis heute eine verletzende und herabwürdigende Botschaft und Wirkung. Diese Darstellungen lösen auch immer wieder hitzige und emotionale Debatten aus. Die bekannteste der letzten Jahre ist dabei sicherlich der Umgang mit der sogenannten „Wittenberger Judensau“. Doch auch in Nordrhein-Westfalen gibt es an den meisten Kirchenbauten ähnliche Darstellungen. Die katholischen (Erz-)Bistümer und evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen haben daher den Leitfaden „... und jetzt? Leitlinien zum Umgang mit antijüdischen Bildwerken in und an Kirchenräumen“ erarbeitet. Möglichkeiten des Umgangs mit antijüdischen Darstellungen sind gemäß den Leitlinien eine Entfernung oder Musealisierung, Sichtstörung oder Verhüllung, eine kritische Kommentierung oder eine kontrastierende Darstellung. Das Erzbistum Paderborn nennt als ein Beispiel die Heilig-Kreuz-Kirche in Dortmund. Dort befindet sich über dem Eingangsportal eine Ecclesia-et-Synagoga-Darstellung (Titelbild). „In einem Mosaik ist bildlich die kolportierte Überlegenheit des Christentums über das Judentum abgebildet“, erläutert das Erzbistum. Die Gemeinde habe sich daher entschieden, die Darstellung mit einem erklärenden Text zu versehen, der das Bild einordne und sich von der Darstellung distanziere.
Die Beauftragte begrüßt den Leitfaden und dass sich die Kirchen so ihrer Verantwortung stellen ausdrücklich. Die Kirchen stellten sich so dem Thema von antisemitischen Darstellungen in den Kirchenbauten und stehen damit auch zu ihrer Verantwortung:
Antisemitische Darstellungen, ob offen oder hintergründig, egal wo, dürfen niemals unwidersprochen stehen bleiben. Jede antisemitische Darstellung ist verschieden, und daher sollten die Vorgaben den Kirchenleitungen auch einen gewissen Handlungsspielraum lassen. Die Gespräche und Aushandlungsprozesse zum Umgang mit antijudaistischen Darstellungen an den kirchlichen Bauten müssen vor Ort in den Kirchen und Kirchengemeinden unter Einbeziehung der jüdischen Gemeinden und Betroffener geführt werden. Dabei können sowohl Entfernungen wie auch Kontextualisierungen sinnvoll sein. Es sollten jeweils erläuternde Hinweise und Erklärungen zu den antijudaistischen Darstellungen vorgenommen werden, um so auch eine Auseinandersetzung und Aufarbeitung voranzubringen. Dies ist auch weiterhin dringend notwendig.
In dem Zusammenhang nahm die Beauftragte auch an der Führung „Der Dom und die „Juden““ in Köln teil. Auch dieses Wahrzeichen ist innen und außen mit offenen, aber auch subtilen antijudaistische Botschaften versehen. Beispielsweise entstanden Anfang des 14. Jahrhunderts die äußerst diffamierenden und abstoßenden Darstellungen eines Ritualmordes sowie einer sogenannten „Judensau“ im Chorgestühl. Sich mit diesen Darstellungen auseinander zu setzen, diese zu kontextualisieren und auch Debatten dazu anzustoßen ist Ziel der Führung.
Die Beauftragte zu der Führung:
Mit großem Interesse und auch mit Erschrecken habe ich die vielen Details über die Antijüdischen Darstellungen am und im Kölner Dom wahrgenommen. Diese wichtige Aufklärungsarbeit schärft bei den Besucherinnen und Besuchern den Blick und lässt auch mich von nun an die Darstellungen in einem anderen Bewusstsein erkennen. In Anlehnung an Kant stelle ich für mich fest: Ich kann nicht hinter das zurück, was ich weiß. Ich begrüße sehr, dass der Kölner Dom im Umgang mit antijüdischen Darstellungen wirklich beispielhaft vorgegangen ist und weiter vorgeht.
Weiter Informationen zur Führung erhalten Sie hier.