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Einführung von Antisemitismusbeauftragten bei den Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften in NRW

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Mit der Einführung von Antisemitismusbeauftragten bei den Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen wurde Anfang der Woche eine zentrale Forderung der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt.

Dazu sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenbeger:

„Man habe nichts gegen Juden, man kenne kaum Juden, man habe nur was gegen Zionisten, man habe nur was gegen die organisierte Macht des Judentums“ so und ähnlich sind häufige Erklärungen von Antisemiten, die nicht als solche erscheinen wollen. Diese Sätze sind  vielen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wie auch Richterinnen und Richtern bekannt, wenn es um die Beurteilung geht, ob eine Äußerung als antisemitisch zu bewerten und zum Beispiel als Volksverhetzung zu bestrafen ist. Es geht darum, wie für strafrechtliche Ermittlungen Sachverhalte so umfassend erfasst und bewertet werden können, dass antisemitische Zusammenhänge besser erkannt und der Entscheidung über eine Anklageerhebung oder Einstellung des Verfahrens zu Grunde gelegt werden.

Ein Blick auf die Zahlen in Nordrhein-Westfalen zeigt mit 437 erfassten antisemitischen Straftaten in der PMK im Jahr 2021 den deutlichen Anstieg gegenüber 2020 mit 276 Vorfällen. Auf Bundesebene schlägt sich der knapp 30 prozentiger Anstieg in über 3000 erfassten antisemitischen Delikten nieder. Da es keine zeitgleich entsprechende Erfassung der Landesjustiz gibt, kann dieser polizeilichen Statistik nie genau die Zahl der Gerichtsentscheidungen gegenübergestellt werden. Deshalb geben die Zahlen basierend auf Berichten der Generalstaatsanwaltschaften einen allgemeinen Einblick, sind aber nicht auf die Jahreszahlen der Polizeistatistik bezogen. Danach kam es in den letzten Jahren in 997 Fällen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Straftaten, in 129 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage bzw. Beantragung eines Strafbefehls und in 665 Fällen zur Einstellung der Ermittlungen, davon in 262 Fällen mangels Ermittlung eines Täters.

In 58 von 997 Fällen erfolgte eine Verurteilung, also in gut 6 Prozent.

Viele Vorfälle, die als antisemitisch motivierte, strafrechtlich relevante Handlung bewertet werden könnten, werden von den Betroffenen nicht zur Anzeige gebracht. Das ergibt sich aus verschiedenen Umfragen. Und diesen Eindruck habe ich auch in einer Befragung von Mitgliedern jüdischer Gemeinden in Nordrhein-Westfalen 2019 bekommen, die häufig geantwortet haben: „Eine Anzeige bringt ja nichts.“ Das bringt neben Enttäuschung auch fehlendes Vertrauen in die Justiz zum Ausdruck.

Mit der Einführung von Antisemitismusbeauftragten bei den Generalstaatsanwaltschaften soll auch diesem Vertrauensverlust entgegengewirkt werden. Die Antisemitismusbeauftragten sollen nach innen und auch nach außen wirken, das heißt, dass es eine kontinuierliche Kommunikation mit den Betroffenen geben soll, sie sollen so die Entscheidungen erklärt bekommen und sie so besser verstehen können. Es werden so nachhaltig die Strukturen in der Justiz verändert.

Ich danke Herr Minister Biesenbach, und den Damen und Herren Generalstaatsanwälten, dass Sie sich für diese Organisationsänderung entschieden haben.

Es geht nicht darum, noch ein paar Beauftragte mehr zu haben nach dem Motto: „Die erledigen jetzt das Problem. Dann haben wir damit nichts mehr zu tun.“

Nein, es geht darum, die Erfassung, Einordnung und Bewertung antisemitischer Stereotype frühzeitig zu erkennen, alle Indizien und Umstände des Einzelfalls einzubeziehen und dann den Kontext richtig herzustellen. Und das ist keine Kleinigkeit. Es macht einen Unterschied, ob Steine auf eine Synagoge geworfen werden oder auf ein Auto am Fußballplatz. Es macht einen Unterschied, ob vor jüdischen Kindergärten oder Schulen skandiert wird, haut doch ab nach Israel oder ob in einer Diskussion über die Siedlungspolitik Israels im Nahen Osten geschimpft wird.

Wie geht man mit Wahlplakaten um, wie denen von der Partei „Die Rechte“ im Europawahlkampf mit dem Slogan: „Zionismus stoppen. Israel ist unser Unglück. Schluss damit!“ Oder „Wir hängen nicht nur Plakate!“ und klein gedruckt „Wir kleben auch Aufkleber.“ Der Umgang ist sehr unterschiedlich und das ist den Betroffenen nicht leicht zu erklären.

Im Wahlkampf wird geholzt, zugespitzt, angegriffen, aber bei Antisemitismus ist Schluss. Dazu müssen sich die Ermittlungsbehörden eine Meinung bilden, da sollte man möglichst bei vergleichbaren Sachverhalten zu einer einheitlichen Bewertung kommen.

Mit der Änderung des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB um das Wort „antisemitisch“ ist ausdrücklich die Verpflichtung verbunden, antisemitische Tatmotive strafverschärfend zu berücksichtigen. Dazu müssen alle Tatumstände sorgfältig ermittelt werden.

Das ist keine Unterstellung, dass bisher nicht sorgfältig und fachkundig ermittelt wurde, aber damit diese Strafverschärfungsregelung nicht leerläuft, müssen alle Aspekte, die in Richtung Antisemitismus weisen können, berücksichtigt werden. Und das ist nicht immer so einfach. Codes, Stereotype, Vergleiche werden verwandt wie bei der Verwendung des gelben Sterns mit dem Eindruck „Ungeimpft“ oder Impfgegner, die ohne Hintergrundwissen nicht als antisemitisch eingeordnet werden können. Arbeit macht frei, die Rotschilds, die Ostküsten Finanzbranche, die die Welt beherrschen will und vieles mehr sind Hinweise auf eine bestimmte Einstellung, die aber ein gewisses Wissen voraussetzen.

Niemand unterstellt, dass die Justiz heute auf einem Auge blind sei, dass traf früher sehr wohl zu, wenn wir an die Widerstände denken, die Fritz Bauer in seiner Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt erlebte, als er die Auschwitz-Prozesse vorbereitete.

Mir geht es nicht darum, eine Struktur um ihrer selbst Willen zu verändern, sondern damit eines erreicht wird: Mehr Aufmerksamkeit antisemitischen Straftaten zu widmen und die Sichtweisen der Betroffenen besser zu kennen. Wie es sich für Juden in Deutschland anfühlt, wenn ihnen auf der Straße die Kippa vom Kopf gerissen wird, sie mit „Scheiß Jude“ angebrüllt werden, ihnen zugerufen wird, man hätte sie wohl beim Vergasen damals vergessen. Und wenn dann die Ermittlungen mit einem Zweizeiler eingestellt werden müssen, ohne weitere Erklärung, dann macht sich Ärger, Frust und Unverständnis breit.  Dem soll künftig entgegengewirkt werden.

Es sind auch Erwartungen an strafrechtliche Bewertungen vorhanden. Soll der auf Corona –Demonstrationen und im Internet verwandte gelbe Stern mit dem Aufdruck „ungeimpft“, als Vergleich mit der Judenverfolgung im Nationalsozialismus bewertet und wegen Verharmlosung des Holocaust als Volksverhetzung bestraft werden? Eine Frage, die die Justiz seit einiger Zeit beschäftigt und die zu unterschiedlichen Entscheidungen geführt hat – zum Beispiel hat das Bayerische Oberste Landgericht eine Strafbarkeit bejaht, das OLG Saarbrücken dagegen hat eine wegen eines „ungeimpft“ Sterns Angeklagte freigesprochen. In vielen Bundesländern geht die Polizei gegen das missbräuchliche Verwenden des jüdischen Davidsterns vor. Wichtig ist, dies auch mit den Betroffenen zu diskutieren und sich innerhalb der Justiz damit auseinanderzusetzen.

Seit über drei Jahren setze ich mich für eine verbesserte Prävention gegen Antisemitismus in allen Bereichen unserer Gesellschaft ein: in der Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrer, in den juristischen Berufen, bei der Polizei und natürlich in der Schule, beim Sport und in der Kultur.

Mit der Einrichtung von Antisemitismusbeauftragten bei den Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften wird ein wichtiger Schritt getan."

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Inge Auerbacher

Inge Auerbacher spricht im Bundestag

Anlässlich des Holocaustgedenktages am 27. Januar 2022 wird die Holocaust-Überlebende, Inge Auerbacher, eine Rede im Bundestag halten. Auerbacher ist 1934 in Kippenheim in Baden-Württemberg geboren. Am 22. August 1942 wird die siebenjährige Inge mit ihren Eltern zum Sammelplatz in Göppingen gebracht und erhält die Transport-Nummer XIII‑1–408. Zwei weitere Nächte werden sie in der Sammelhalle am Stuttgarter Killesberg interniert und anschließend ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Das kleine Mädchen überlebt zusammen mit ihren Eltern den schrecklichen Terror des Nazi-Regimes und widmet seither ihr Leben als Zeitzeugin dem Kampf gegen Antisemitismus.
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