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Vorstellung des Jahresberichts 2021 der Antisemitismusbeauftragten

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Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat am 13. Mai 2022 den dritten Antisemitismusbericht für das Land Nordrhein-Westfalen an den Landtag übergeben. Das Berichtsjahr 2021 war wiederholt geprägt durch antisemitische Vorfälle bei Demonstrationen und das Erstarken antisemitischer Muster in Form von Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit Corona. Aber auch trotz der Pandemie und der zunehmenden antisemitischen Vorfälle war 2021 das Jahr eines bedeutenden Jubiläums: ausgehend von Nordrhein-Westfalen wurden bundesweit anlässlich des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ über 2.000 Veranstaltungen und Projekte durchgeführt.

Das Jahr 2021 war wie schon 2020 geprägt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Täglich verfolgten wir sinkende und steigende Inzidenzen, beobachteten Auslastungsquoten von Intensivstationen und diskutierten über Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Gleichzeitig mussten wir im Verlauf des Jahres feststellen, dass Verschwörungsmythen weiter Konjunktur hatten und im Umfeld von Demonstrationen gegen die Pandemiemaßnahmen sowie in digitalen Netzwerken regen Zulauf erhielten. Dies wirkte dabei als Katalysator für die Verbreitung alter antisemitischer Stereotype und Hetzmotive in neuen Chiffren.

Im Mai des Berichtjahres – zum Zeitpunkt der Raketenangriffe von der Hamas auf Israel – wurden Schmähungen vor Synagogen in Nordrhein-Westfalen und andernorts gerufen oder Steine auf diese geworfen, Fahnen angezündet und Denkmäler beschädigt.

Uns allen sind noch die Berichte zu dem vereitelten Anschlag auf die Synagoge in Hagen im Gedächtnis. Auch Erinnerungen an den Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 wurden wieder wachgerufen.

Für 2021 müssen wir daher festhalten: Antisemitismus ist in der Gesellschaft offener präsent. Was nüchterne Studien, Erhebungen und Umfragen zeigen, wurde auch in diesem Jahr wieder spürbar und geht über die mehr als 3.000 polizeilich erfassten antisemitischen Taten hinaus. Antisemitismus ist ein weit verbreitetes Phänomen. Antisemitische Ressentiments, Stereotype, kollektive Schuldzuweisungen und Verschwörungsmythen sind alltäglich. Immer wieder schlagen die verbalen Verletzungen in Gewalt um. Menschen werden angegriffen und zum Teil erheblich verletzt.

Der Antisemitismus ist dabei nicht nur allgegenwärtig und wird von den betroffenen Menschen inzwischen wieder als reale Gefahr für Leib und Leben empfunden, sondern er äußert sich auch in neuen Formen. Neben dem rassistischen Antisemitismus begegnet uns nach wie vor auch religiös motivierter Antijudaismus und Antisemitismus. Neu und zunehmend erstarkend spielt der sogenannte israelbezogene Antisemitismus eine Rolle. Auch das Auftreten des Antisemitismus ist vielfältig: Alte antisemitische Motive und Stereotype werden in kruden Narrativen mit extremen Ideologien zu Verschwörungsmythen vermengt. Das Wesen dieser Erscheinungsformen ist es, dass sie eben nicht durch argumentative Falsifikation in einem offenen Diskurs widerlegt werden können wie eine Theorie, sondern dass sie eine Art Weltanschauung sind, die als die einzig wahre angesehen wird. Gleichzeitig bieten sie einfache Erklärungen für krisenhafte Situationen und Lebensumstände, seien es nun Erscheinungen der Globalisierung, der Digitalisierung oder einer Pandemie. Antisemitische Verschwörungsmythen begegnen uns dabei bei Demonstrationen auf der Straße, aber auch im Internet. Sie „fressen“ sich – begründet durch die Angst vor einer Krise – in die Mitte der Gesellschaft und bedrohen damit unser aller Freiheit. Beispiele für solche antisemitischen Vorfälle und strafrechtlich relevanten Fälle sind in diesem Bericht dokumentiert.

Die Bestandsaufnahme zeigt: Wir müssen die neuen Verbreitungswege verstehen und mit neuen Maßnahmen auf diese reagieren. Sei es durch innovative Prävention, um Zulauf und Resonanz zu verhindern, oder durch Intervention, um gewalttätige Folgen der geschriebenen und geschrienen Hetze zu unterbinden.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, beschrieb die Situation in seiner Rede zur Auftaktveranstaltung des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ prägnant: 

Selbst wer persönlich noch nie einen Juden getroffen hat, wer sich für das Judentum eigentlich gar nicht interessiert, kennt antisemitische Vorurteile. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben – und sie halten sich umso besser, je weniger man über Juden weiß.

Gleichzeitig appellierte er: 

Dagegen müssen wir angehen. Und zwar vor allem in den Schulen. Im Unterricht muss nicht nur mehr Wissen über das Judentum vermittelt werden, sondern auch verstärkt über Antisemitismus aufgeklärt werden.

Daher war der Bereich Bildung auch 2021 ein Themenschwerpunkt in meiner Tätigkeit als Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen. Einen zweiten Schwerpunkt setzte ich insbesondere ab der zweiten Jahreshälfte 2021 mit dem Themenkomplex „Antisemitismus und Justiz“. Wichtige Maßnahmen, Beschlüsse und Empfehlungen zu diesen Themenschwerpunkten finden Sie ebenfalls in diesem Bericht.

Trotz der Pandemie und der zunehmenden antisemitischen Vorfälle war 2021 auch das Jahr eines bedeutenden Jubiläums: ausgehend von Nordrhein-Westfalen wurden bundesweit anlässlich des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ über 2.000 Veranstaltungen und Projekte durchgeführt. Besonders wichtig war und ist die zentrale Botschaft des Festjahres: das vielfältige und florierende jüdische Leben in Deutschland als selbstverständlichen und wertvollen Teil unserer Gesellschaft darzustellen.

Neben der umfangreichen Unterstützung der Bundesregierung hat auch das Land Nordrhein-Westfalen mit finanziellen Mitteln deutlich zur Organisation durch den Verein 321 beigetragen. Ich freue mich, dass auch aus meinem Büro während der ersten Jahreshälfte 2021 eine personelle Unterstützung zum Erfolg des Festjahres erfolgen konnte. Die bereits vielfältige Landschaft von Projekten, Initiativen, Maßnahmen und Netzwerken gegen Antisemitismus erhielt durch das Festjahr zusätzliche Impulse.

Dies habe ich bei vielen Anlässen und durch Projekte, die von mir mit durch den Nordrhein-Westfälischen Landtag zur Verfügung gestellten Budgetmitteln unterstützt wurden, erfahren.

Eine Auswahl dieser Aktivitäten wird in diesem Bericht vorgestellt. Ebenso sind dadurch gewonnene Eindrücke, Impulse und Ideen in Form von Vorschlägen und Handlungsempfehlungen für die Landesregierung Nordrhein-Westfalens eingeflossen.

Für das auch in diesem Jahr erlebte große Engagement und für die vielen Begegnungen während des dritten Jahres meiner Tätigkeit als Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen bedanke ich mich herzlich.

Den dritten Bericht der Antisemitismusbeauftragten für das Jahr 2021 finden Sie hier zum Download.

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Inge Auerbacher

Inge Auerbacher spricht im Bundestag

Anlässlich des Holocaustgedenktages am 27. Januar 2022 wird die Holocaust-Überlebende, Inge Auerbacher, eine Rede im Bundestag halten. Auerbacher ist 1934 in Kippenheim in Baden-Württemberg geboren. Am 22. August 1942 wird die siebenjährige Inge mit ihren Eltern zum Sammelplatz in Göppingen gebracht und erhält die Transport-Nummer XIII‑1–408. Zwei weitere Nächte werden sie in der Sammelhalle am Stuttgarter Killesberg interniert und anschließend ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Das kleine Mädchen überlebt zusammen mit ihren Eltern den schrecklichen Terror des Nazi-Regimes und widmet seither ihr Leben als Zeitzeugin dem Kampf gegen Antisemitismus.
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